Prof. Bofinger gratuliert John Maynard Keynes in der Frankfurter Rundschau
25.06.2008Ökonomen gratulieren John Maynard Keynes zum 125. Geburtstag
Der Pragmatiker
Lieber John Maynard Keynes,
alles Gute zum 125. Geburtstag. Was Du in den dreißiger Jahren entwickelt hast, war ähnlich revolutionär wie die Entdeckung des Penicillins durch Deinen Landsmann Fleming. Er hat eine neue Therapieform eröffnet, die dann einzusetzen ist, wenn die Selbstheilungskräfte des Körpers überfordert sind. Du hast für die Wirtschaft gezeigt, dass auch deren Selbststeuerungssystem bei massiven Schocks überfordert sein kann. Mit der Geld- und Fiskalpolitik hast Du Instrumente entwickelt, mit denen es bis heute gelungen ist, eine weltweite Depression wie in den dreißiger Jahren zu verhindern. Die Reaktionen von Ben Bernanke und Georg W. Bush auf die derzeitige Finanzmarktkrise belegen die Aktualität Deiner Theorien. Auch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank weist ein klares antizyklisches Muster auf. Angela Merkel ist eine heimliche Verehrerin von Dir. Im Herbst 2005 war sie mit Erfolg bereit, ein hohes Defizit in Kauf zu nehmen, um aus der Stagnation herauszukommen. Trotzdem gibt es bei uns viele Ökonomen, die den Keynesianismus ablehnen. Das entspricht unserem Wesen. Wir haben auch Homöopathen, die bei schweren Infektionen keine Antibiotika einsetzen. Dabei ist es ganz einfach. Man braucht nicht bei jedem Schnupfen ein Antibiotikum und nicht bei jeder wirtschaftlichen Delle ein Konjunkturprogramm. Aber wer bei starken Infektionen oder massiven Nachfrageschocks nur auf Selbstheilungskräfte setzt, ist ein Quacksalber. Lass Dich beim Feiern also nicht durch die deutschen Kräuterökonomen stören.
Herzliche Grüße,
Peter Bofinger
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