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Lehrstuhl für BWL und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre
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Wie Unternehmen Steuern vermeiden

20.12.2017

Am 23. und 24.11.2017 fand ein Workshop der Graduiertenschule Law Economics and Society (GSLES) zum Thema „Aggressive Steuervermeidung multinationaler Unternehmen“ statt.

Große Unternehmen wenden raffinierte Strategien an, um möglichst wenige oder gar keine Steuern zahlen zu müssen. Wie sie das im Einzelnen anstellen, wurde einer großen Öffentlichkeit zuletzt im Herbst 2017 vor Augen geführt: Unter dem Stichwort „Paradise Papers“ beschrieb ein internationales Medienkonsortium detailreich die durchaus legalen Steuervermeidungsstrategien international tätiger Firmen.

Um dieses Thema drehte sich auch ein Workshop der GSLES. Auf Einladung der Würzburger Graduiertenschule GSLES kamen Wissenschaftler von Lüneburg bis Zürich in den Tagungsräumen des Klosters Bronnbach zusammen, um zwei Tage intensiv zu diskutieren. Eingeleitet wurde der Meinungsaustausch durch Vorträge und Impulsreferate.

 


 

Die Beiträge

Der Workshop war interdisziplinär ausgerichtet. Dabei reichte die Bandbreite von (rechts-) philosophischen und juristischen über politologische bis hin zu betriebswirtschaftlichen Abhandlungen. Im Folgenden sind einige Vorträge kurz skizziert.

 

Prof. Dr. Hansrudi Lenz von der Universität Würzburg stellte in seinem rechtsphilosophischen Vortrag die moralische Pflicht des Managers in den Vordergrund. Aggressive Steuervermeidung kann als ein Spezialfall der aggressiven Rechtsauslegung betrachtet werden. Wenn alle Akteure das Recht immer bis an die Grenze dessen auslegen würden, was gerade noch legal ist, dann könnte das Rechtssystem zusammenbrechen, da der Wille des demokratisch legitimierten Gesetzgebers dann nicht mehr umgesetzt werden kann. Wendet man den Kategorischen Imperativ von Kant an, entsteht hier ein Wollenswiderspruch und somit wäre dieses Verhalten als unmoralisch abzulehnen.

 

Prof. Dr. Harald Jansen von der Universität Jena stellte zur Diskussion, ob durch Steuervermeidung mehr Rechtssicherheit entstehe. Da Gesetze notwendigerweise abstrakt formuliert sind, werden Urteile benötigt, um Unschärfen im Einzelfall zu interpretieren. Gerichtliche Entscheidungen werden allerdings erst durch Vermeidungsaktivitäten der Steuerpflichtigen erzwungen; diese tragen somit zu einer Fortbildung des Rechts bei.

 

Prof. Dr. Andreas Scherer und Dr. Florian Überbacher von der Universität Zürich stellten eine Fallstudie zur Auflösung des Schweizer Bankgeheimnisses vor. Die Autoren zeigen, wie durch die Ausübung des amerikanischen extraterritorialen Rechts ein institutioneller Wandel erzwungen wurde. Für die Schweiz hatte dies eine besondere Bedeutung, da das Bankgeheimnis dort bisher als unantastbar galt und eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz verknüpft schien.

  

Prof. Dr. Thomas Egner von der Universität Bamberg diskutierte über die Ursprünge aggressiver Steuervermeidung. Die Aktualität dieses Themas darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Steuervermeidungsstrategien bereits so alt sind wie die Steuern selbst. So sind beispielsweise die bekannten französischen Balkone dadurch entstanden, dass die Bürger im 18. Jahrhundert versuchten, die damals geltende Fenstersteuer zu umgehen. In derselben Diskussionsrunde stellte Aanor Roland von der Universität Bielefeld die Rolle der Europäischen Union im Kampf gegen Steuervermeidung aus politikwissenschaftlicher Sicht vor. Alexander Leipold von der Universität Lüneburg präsentierte Steuervermeidung als nicht vom Steuerwettbewerb der Staaten trennbaren Problemkomplex. Als mögliches Untersuchungsdesign wird daher eine Netzwerkanalyse des steuerpolitischen Diskurses vorgeschlagen, um Unterschiede in der Steuerdebatte zwischen verschiedenen Ländern herauszuarbeiten.

 

Die juristische Sichtweise wurde insbesondere von Prof. Dr. Matthias Valta von der Universität Düsseldorf dargelegt. Um einen gleichheitsgerechten und hierarchischen Vollzug des Steuerrechts sicherzustellen muss die Inanspruchnahme von Staatsleistungen mit der Besteuerung verbunden sein. Andernfalls werden immobile Arbeitsfaktoren wie Arbeit benachteiligt und mobile Faktoren wie das Kapital privilegiert. Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane von der Universität Paderborn sieht in der Empirie der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre noch Forschungslücken, da die aktuelle Steuervermeidungsforschung vorwiegend auf börsennotierte Unternehmen beschränkt ist. Somit ist das tatsächliche Ausmaß des Problems bisher unbekannt. Andererseits können die theoretischen Wirkungskanäle der Steuervermeidung empirisch aber überwiegend bestätigt werden.

 

Der Workshop bot den 26 Teilnehmern die Möglichkeit zum intensiven und fächerübergreifenden Austausch. Im Anschluss an die Vorträge fand am Donnerstagabend eine Weinprobe im Klosterkeller statt, um die Gespräche in gemütlicher Atmosphäre fortzusetzen.

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