Hyperautomation bringt Unternehmen voran
08/08/2023Kleine und mittlere Unternehmen durch Automatisierung resilienter und effizienter machen: Darum geht es in einem neuen 1,4-Millionen-Euro-Projekt der Professoren Johannes Hewig und Axel Winkelmann.
Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist angespannt. Einige Branchen haben noch immer mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen sowie mit den aktuellen Auswirkungen von Kriegen und Krisen.
Probleme entstanden durch Lücken in den Lieferketten sowie durch steigende Energie- und Gesamtkosten mit einer erhöhten Inflation. In einer Umfrage der bayerischen Industrie- und Handelskammern gaben 44 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihr Angebot aufgrund der steigenden Energiepreise nicht mehr wettbewerbsfähig sei. 24 Prozent äußerten die Meinung, dass sie ihre Geschäftsvorgänge verstärkt digitalisieren und automatisieren müssten, um eine höhere Energieeffizienz zu erreichen.
„Damit liegen diese Unternehmen genau richtig. Durch eine wohldurchdachte, auf das jeweilige Unternehmen angepasste Automatisierungs- und Digitalisierungsstrategie lassen sich viele Probleme konkret angehen, und die Energieeffizienz kann verbessert werden. Steigende Energiekosten lassen sich dann besser abfedern“, sagt Professor Axel Winkelmann, Leiter des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).
Vernetzung in einem Hyperautomations-Ökosystem
Um auf diesem Gebiet Fortschritte zu erzielen, haben Axel Winkelmann und JMU-Professor Johannes Hewig (Psychologie) gemeinsam mit kleinen und mittleren Unternehmen aus Bayern ein neues Projekt gestartet. Es zielt darauf ab, die Unternehmen in einem sogenannten Hyperautomations-Ökosystem zu vernetzen, in dem sie ihre Prozesslandschaft automatisieren können. In Kooperation mit den beiden JMU-Lehrstuhlteams sollen Technologien und Best-Practice-Ansätze erarbeitet und an andere Unternehmen weitergegeben werden.
Das bayerische Wissenschaftsministerium fördert das neue Projekt „Hyperautomation Ökosystem“ aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) mit rund 1,4 Millionen Euro. Das Projekt startet am 1. August 2023 mit einer Laufzeit bis zum 31. März 2027. Das Fördergeld wird für den Transfer von Hyperautomationstechnologien in regionale Unternehmen eingesetzt.
Enormer Aufholbedarf in Unternehmen
„Die Realität in Unternehmen zeigt einen enormen Aufholbedarf bei der Automatisierung“, sagt der Wirtschaftsinformatiker Winkelmann. Oft sei in Geschäftsprozessen das Automatisierungspotenzial nicht optimal ausgereizt. Zwar nutzen viele Unternehmen Automatisierungstechnologien, doch sie arbeiten längst nicht mit dem kompletten Potenzial ihres Datenfundaments.
Um die Situation zu verbessern, können Technologien der Hyperautomation eingesetzt werden – diese sorgen für die Koordination bestehender und neuer Automatisierungsinseln. Das Ziel heißt, zeitraubende Routinearbeiten in Unternehmen zu verselbstständigen. Bei dieser Aufgabe können auch Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen.
Rolle der Psychologie
Warum auch ein Psychologieprofessor am Projekt mitwirkt? Johannes Hewig erklärt: „Der Umgang mit Automatisierung im Arbeitskontext muss nicht nur von der technischen Seite bewältigt werden. Das richtige Maß an Vertrauen in die komplexe Interaktion von Mensch und Maschine beziehungsweise Künstlicher Intelligenz muss im Umgang erlernt werden. Des Weiteren stellt die Automatisierung andere Anforderungen bezüglich der Entwicklungsaufgaben sowie der Arbeitsbelastung, sodass das psychische Wohlbefinden der Arbeitenden im Automationsprozess nicht aus den Augen verloren werden sollte.“
Durch die Erfassung der individuellen Bedürfnisse sowie die Erfassung und Bildung von Expertise im Vertrauensverhältnis von Mensch und Maschine könne schlussendlich ein Abgleich von technischen und individuellen psychologischen Bedürfnissen im Arbeitskontext erfolgen. Damit werde die Nachhaltigkeit der Automatisierung sowohl auf wirtschaftlicher Ebene als auch mit Blick auf die psychische Gesundheit der Arbeitenden unterstützt.
Projekt startet mit Bedarfsermittlung
Im Projekt wird über eine Web-Plattform zunächst der Bedarf der beteiligten Unternehmen ermittelt. Sie ermöglicht es den Nutzerinnen und Nutzern, ihre Ideen zu teilen, Fragen zu stellen und Diskussionen zu führen. Durch Votings ergibt sich ein Ranking, das relevante Aufgabengebiete identifiziert.
„Mit der Plattform schaffen wir ein Ökosystem aus Unternehmen und Wissenschaft, das Unternehmensgrenzen überwindet“, sagt Axel Winkelmann. Da für Umstrukturierungen passende Fachkräfte notwendig sind, dient die Plattform auch dem Rekrutieren digitaler Talente und der Vermittlung von Hochschulabsolvent:innen. Sie stärkt außerdem den Kontakt zu Implementierungspartnern und Lösungsanbietern.
Unterstützung bei EFRE-Projektanträgen
Bei der Einreichung und Erstellung des Projektantrages wurden die Forschenden durch das Servicezentrum Forschung und Technologietransfer (SFT) der Universität unterstützt. Das SFT berät Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JMU bei der Beantragung von Mitteln aus den Europäischen Fonds EFRE und ESF. EFRE ist der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, ESF der Europäische Sozialfonds. Beide Fonds sind die wichtigsten Instrumente der EU zur Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts.
Kontakt
Prof. Dr. Axel Winkelmann, Betriebswirtschaftliches Institut, axel.winkelmann@uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Johannes Hewig, Institut für Psychologie, hewig@psychologie.uni-wuerzburg.de